Worldbuilding: Warum Karten so wichtig sind

Jede gute Geschichte braucht ein Setting. Eine Welt, in der sie stattfindet. Ob das eine echte Umgebung ist (zum Beispiel New York), eine vorgefertigte Welt (zum Beispiel die vergessenen Reiche) oder eine völlig neu erschaffene, spielt dabei keine Rolle.

Manchmal dient die Welt nur als Hintergrund, damit die Geschichte irgendwo stattfinden kann. Manchmal wird im Laufe der Geschichte(n) daraus ein ganzes Universum, wie die Scheibenwelt oder das Cosmere. Wichtig ist, dass man es richtig macht. Wenn Deine gesamte Geschichte in irgendeinem amerikanischen Diner stattfindet, ist es dann wirklich wichtig, ob es in Texas oder Iowa liegt? Aber wenn Deine Charaktere quer über einen ganzen Kontinent wandern, muss Du wissen, wo Du gerade bist, sonst bringst Du Dich beim Schreiben selbst durcheinander. Und Deine Leser erst recht.

Na gut, wenn Du gerade anfängst, eine tolle Fantasy Geschichte zu schreiben, willst Du Dich wahrscheinlich nicht erst noch wochenlang damit aufhalten, eine ganze Welt zu erfinden bevor Du überhaupt loslegst (außer Du bist Ian Irvine). Du kannst die Welt auch während des Schreibens erfinden. Doch Du musst unbedingt im Auge behalten, was Du da eigentlich erfindest. Wenn Du das nicht tust, verirren sich Deine Charaktere, und dass heißt, Deine Leser verirren sich auch. Und das kann eine großartige Geschichte ruinieren.

Navigation: Sag den Lesern wo sie sind

Vor einer Weile las ich eine Romanserie, die immer am Anfang der Bücher eine Karte hatte. Juchu, ich mag Karten. Ich sehe sie mir ständig an, um zu sehen, wo die Charaktere gerade sind, wie viel des Weges sie schon geschafft haben, und wie viel noch vor ihnen liegt.

Doch obwohl die Orte aus dem ersten Band alle auf der Karte verzeichnet waren, fand ich mich immer weniger zurecht. Je weiter die Geschichte fortschritt, desto öfter fand sie an Orten statt, die irgendwo dazwischen lagen. Mit jedem Band hoffte ich auf eine detailliertere Karte der aktuellen Region, doch ich bekam nur die Karte vom Anfang. Die Städte waren alle markiert – jeder größere Ort hatte seinen Punkt auf der Karte. Aber manchmal sind die wichtigen Orte überhaupt nicht groß. Zum Beispiel die Lichtung im dichten Wald, auf der unser Held zu einer lebensverändernden Entscheidung kommt. Die ferne Hauptstadt ist mir dann echt egal, ich will wissen wo dieser Wald ist!

In dieser bestimmten Serie spielte immer mehr der Geschichte in solchen Gegenden, die zwar ganz grob markiert waren, aber eher nach dem Motto »Wildnis«, was eigentlich ALLES hinter den Bergen da am Rand sein könnte.

Die Geschichte gefiel mir trotzdem sehr gut, aber ich musste viel öfter auf die Karte schauen als sonst, um eine Vorstellung davon zu machen, wo zum Geier ich mich eigentlich gerade befinde. Anstatt mir einen markierten Ort zu geben, den ich finden kann, musste ich mir einfach merken, dass ich zwar gerade nördlich von diesem Ort war, aber noch nicht so weit, dass ich schon westlich von jenem Ort wäre, aber die Charaktere sind immer noch in der Steppe, also kann ich noch nicht bei den Bergen da drüben sein….

Die Autorin, die enorm viel Zeit damit verbracht hat, über ihre Welt nachzudenken, und sich dann diesen Teil der Welt ausgedacht hat, weiss genau, wo wir gerade sind. Der Leser jedoch hat nur eine ungenaue Karte und ein paar Hinweise aus der Geschichte, und muss seine Position ständig per mentaler Triangulation neu bestimmen. Ich hätte lieber eine genauere Karte und konzentriere mich voll und ganz auf die Geschichte.

Kontinuität: Vergiss nicht, wo Du schon warst

Ein anderes Beispiel schlechten Worldbuildings ist, die Karte hinterher zu machen. Wenn Du Dir nicht ganz genau merkst, wo Du schon gewesen bist, ist die Chance Fehler zu machen sehr groß. Jawohl, auch wenn das Ding Dein Buchbaby ist und Du denkst, Du kennst es wie Deine Westentasche.

Eine Bestseller-Autorin hat einmal rückwirkend einen Nebencharakter ertränkt, der nur am Leben blieb, weil sie es nicht gemerkt hat. Wie das geht? So: ziemlich am Anfang der mehrbändigen Geschichte kommt ein Nebencharakter, der nicht mehr als ein Statist ist, auf dem Weg von Ort A nach Ort B an einem Wegweiser vorbei. Dank einer Beschreibung der Umgebung erfahren wir, dass ein gewisser Ort C soundso viele Meilen nördlich liegt. Sagen wir einmal, 50 Meilen.

In Ort C passiert überhaupt nichts während der nächsten paar Bände. Doch als die Geschichte nach einer ziemlich langen Zeit dann doch noch zum Ort C kommt, liegt dieser am Ufer eines Sees, der sich 100 Meilen südlich von C ausbreitet. Der Ort C und sein See sind sogar auf der Karte dieses Bandes eingezeichnet, und es hat mich völlig durcheinander gebracht. Erinnerst Du Dich an den Typen aus dem ersten Band? Den aktuellen Karten und der Geschichte nach müsste der Wegweiser, an dem er am Anfang vorbeigekommen ist, am Grunde des Sees liegen.

Es wäre nicht so verwunderlich, wenn es in der Zwischenzeit einschneidende Ereignisse gegeben hätte, die die Landschaft verändert hätten. Ein Meteoriteneinschlag hinterlässt einen Krater, der sich mit Wasser füllt. Oder ein Staudamm bricht und flutet das ganze Tal. Oder verrückte Zauberer lassen die ganze Stadt C durch die Luft an einen anderen Ort schweben. Was auch immer Du willst. Doch nichts so drastisches war hier passiert, außer der klitzekleinen Tatsache, dass zwei unterschiedliche Orte sich versehentlich am gleichen Platz befanden.

Zugegeben, die meisten Leser werden sich zu diesem Zeitpunkt der Geschichte nicht mehr an den Statisten aus Kapitel 2 erinnern, und schon gar nicht daran, was auf dem Wegweiser stand. Doch für die Leser, die sich erinnern, entsteht so ein Loch im Zusammenhang der Geschichte, dass sie erstmal wieder irgendwie stopfen müssen. Wenn man sich nicht auf die Karten verlassen kann, die man bekommen hat, dann geht die ganze Sache mit der Triangulation wieder los.

Und am allerwichtigsten:

Detaillierte Karten sind einfach cool!