Was verdient man eigentlich als Schriftsteller?

Bücher schreiben, und davon leben können – das ist ein schöner Lebenstraum. Was verdient man eigentlich als Schriftsteller?

Vor meinem inneren Auge schwebt mir immer vor, dass ich mit dem Laptop im sonnigen Garten sitze, ein großes Glas Limonade schlürfe, und so ganz nebenbei meinen nächsten Bestseller tippe, der sich natürlich verkaufen wird wie geschnitten Brot.

Wenn Du diesen Beitrag liest, hast Du sowas ähnliches bestimmt auch schon geträumt.

Die Realität sieht leider anders aus. Erstens blendet die Sonne auf dem Bildschirm und man kann so nur ganz blöd schreiben, zweitens habe ich Diabetes und darf gar keine Limonade trinken, und drittens habe ich noch nie ein ganzes Manuskript veröffentlicht.

Ich verdiene mir mit dem Schreiben etwas dazu, aber leben kann ich davon definitv nicht. Außerdem schreibe ich nach Auftrag, das heisst, ich kann mir die Themen und die Artikel nicht aussuchen. Aber darum geht es hier gar nicht.

Heute interessiert mich:

Was verdient man eigentlich als Schriftsteller?

Wie viele Bücher muss ich schreiben, bzw. verkaufen, damit sich die ganze Sache lohnt?

Dazu muss man erstmal die Frage klären, was man damit meint: „es lohnt sich“. Es ist ja schon ein Unterschied, ob ich mir mit dem Schreiben lediglich meinen täglichen Kaffeekonsum finanzieren will, oder ob ich als freier Schriftsteller meinen gesamten Lebensunterhalt damit bestreiten will. Und falls letzteres, muss ich mir auch überlegen, wie mein Lebensstandard ausfallen soll. Bin ich mit Tiefkühlpizza vom Discounter zufrieden, oder muss ich auch noch eine Hypothek und ein Auto davon bezahlen?

Ich habe weder ein Auto noch ein Eigenheim, aber dafür zahle ich Miete und mein Kaffeekonsum ist enorm.

Trotzdem „lohnt es sich“ für mich vom Gefühl her bereits, wenn auch nur kleine Beträge dabei rumkommen. Immer nach dem Motto: Kleinvieh macht auch Mist, und jeder verdiente Euro ist ein Euro mehr, als ich ohne das Schreiben hätte.

Es ist schwer, als Außenstehender an echte Zahlen von echten Schriftstellern zu kommen, denn kaum einer posaunt öffentlich heraus, wieviel er für dieses oder jenes Buch bekommen hat, oder vielleicht noch bekommen wird. Deshalb habe ich mit den Informationen, die ich bekommen konnte ein paar Berechnungen angestellt.

Tantiemen im Verlagswesen

Bei Verlagen ist es üblich, dass Autoren einen Anteil von den verkauften Büchern erhalten. Das berechnet sich in der Regel am Ladennettopreis, nicht am Verkaufspreis. Wenn ein Buch im Laden also 16,00 Euro kostet, dann ist der Ladennettopreis 14,95 Euro.

Die Prozentzahl variiert je nach Art des Buches, Auflage und Absatzzahlen.

Sachbücher erhalten höhere Prozente als Romane, allerdings ist die Auflage auch geringer. Auch Hardcover bringen höhere Prozente, und sie sind teurer. Aber gerade wegen des höheren Preises ist auch hier die Auflage geringer als bei Taschenbüchern.

Aber jetzt mal Butter bei die Fische. Nehmen wir einmal an, ein durchschnittlicher Roman hat eine Auflage von 4.000 Stück. Das ist eine durchaus übliche Zahl für einen Roman aus dem Belletristik-Genre, der nicht gerade von einem Bestseller-Autoren geschrieben wurde. Nehmen wir an, der Autor bekommt 5%, und das Buch kostet im Laden 12,95 Euro.

Was verdient man eigentlich als Schriftsteller?Rechnen wir einmal aus:

Verkaufspreis:   12,95 Euro   (Ladennettopreis + 7% MwSt)
Ladennettopreis: 12,10 Euro
5% Beteiligung:   0,60 Euro

Nehmen wir weiter an, die Auflage wird innerhalb eines Jahres restlos verkauft:

4.000 Stück x 0,60 Euro = 2.400 Euro

Das macht ein Monatseinkommen von 200 Euro, welches auch noch versteuert werden muss. Davon kann man viel Kaffee kaufen, aber definitiv keine Miete zahlen.

Wer sich jetzt über die „kleine“ Auflage wundert: in Deutschland werden jedes Jahr rund 80.000 Bücher veröffentlicht, alle mit einer Auflage von X Stück, die alle verkauft werden wollen. Es macht wenig Sinn, größere Auflagen zu drucken, nur um dann Restbestände verramschen oder einstampfen zu müssen. Wenn sich ein Buch besser verkauft als ursprünglich vorausgesehen, werden einfach weitere Auflagen nachgedruckt.

Obendrein wird diese Beteiligung mit dem Vorschuss verrechnet, womit ich beim nächsten Punkt wäre:

Aber der Verlag zahlt doch einen Vorschuss!

Ja, stimmt. Aber wie hoch der ausfällt, ist SEHR unterschiedlich.

Bei großen Verlagen können es mehrere tausend Euro sein, und für sehr erfolgreiche Schriftsteller mit sehr großen Auflagen und mehreren Bestsellern ist der Betrag nach oben offen. Bei mittleren und kleinen Verlagen fallen die Vorschüsse sehr viel kleiner aus, und bei Kleinstverlagen (unter 10 Mitarbeitern) gibt es manchmal gar nichts vorweg.

Dazu kommt, dass man nicht einfach einen Batzen Geld bekommt, und sich dann hinsetzt und davon lebt, während man seine ganze Zeit mit schreiben verbringt.

Ganz im Gegenteil. Die meisten Schriftsteller, die ich befragt habe, bekommen 50% der Summe bei Abgabe des Manuskripts, also NACHDEM sie den Löwenanteil der Arbeit bereits geleistet haben, und nebenher auch noch Geld für ihren Lebensunterhalt verdienen mussten, oft mit einem Vollzeitjob.

Die anderen 50% bekommen sie, wenn das Buch veröffentlicht wird. Und wer jetzt denkt, das sind ja nur 3 Monate oder so, liegt wieder falsch. Zwischen Abgabetermin und Veröffentlichung können durchaus 2 Jahre liegen. Das kann die unterschiedlichsten Gründe haben. Das Buch spielt auf Sylt, aber der Verlag hat in den letzten 3 Monaten bereits 3 andere Titel veröffentlicht, die auch schon auf Sylt spielen. Oder die Buchmesse fällt wegen der Pandemie aus, die Buchhandlungen sind geschlossen, und niemand könnte die Neuerscheinung kaufen wenn sie jetzt auf den Markt käme. Der Schriftsteller hat auf diese Entscheidungen des Verlags keinen Einfluss.

Angenommen, mein Buch wird von einem mittleren Verlag angenommen, und ich bekomme einen Vorschuss von 3.000 Euro zu den obigen Bedingungen. Dann bekäme ich 1.500 Euro bei der Abgabe des Manuskripts. Jippie, viel Kaffee! Bis zur Veröffentlichung dauert es allerdings 18 Monate. Dann bleiben mir von dem halben Vorschuss im Schnitt 83,33 Euro monatlich bis ich die zweite Hälfte bekomme.

Was verdient man eigentlich als Schriftsteller?Vorschuss und Beteiligung

Aber ich werde ja an den Verkäufen beteiligt!

Wir hatten ausgerechnet 0,60 Euro pro verkauftem Buch. Es müssen also 5.000 Bücher verkauft werden, bis mein Vorschuss wieder wettgemacht wurde, und ich ab Buch Nr. 5.001 dann mitverdienen darf.

Leider verkauft sich mein Erstlingswerk aber vielleicht nicht so rasend schnell wie ich mir das vorgestellt habe, und nach 2 Jahren gibt es von der Auflage von 4.000 Stück noch ein paar Restbestände. Der Verlag wird in diesem Fall wahrscheinlich keine zweite Auflage drucken, und mit meinem ach so tollen Roman einen Verlust machen.

Die schlechte Nachricht: wenn es nie ein 5.001. Buch geben wird, gibt es auch keine Verkäufe mehr, und somit keine Beteiligung. Mein Vorschuss ist also alles, was ich mit dem Buch verdiene.

Die gute Nachricht: ich müsste meinen Vorschuss nicht zurückzahlen. Das finanzielle Risiko liegt hier allein beim Verlag. Und falls es doch weitere Auflagen geben sollte, könnten auch meine Prozente steigen. Bei mehr als 10.000 verkauften Exemplaren könnte ich bei 6-7% liegen.

Quersubventionierung

Warum macht der Verlag sowas überhaupt, wenn er mit dem durchschnittlichen Anfänger wahrscheinlich Verlust macht?

Nun ja, ein Verlag braucht Bücher. Wenn er nur noch Bestseller-Autoren verlegen würde, hätte er schnell nur noch einen sehr, sehr kleinen Produktkatalog. Das Geheimrezept ist Quersubventionierung. Die Bestsellerautoren, mit denen der Verlag so richtig viel Kohle verdient, finanzieren die kleinen unbekannten Schriftsteller mit.

Ich mag mir gar nicht vorstellen, wieviele solcher Verluste Bloomsbury Publishing mit den Erlösen von JK Rowlings Harry Potter Reihe ausgeglichen hat, und wie viele Erstlings-Autoren ohne Aussicht auf echte Gewinne dank solcher Mega-Bestseller trotzdem eine Chance bekommen haben.

Margen im Selbstverlag

Der Reinerlös im Selbstverlag ist schwierig zu berechnen, deshalb habe ich auch „Margen“ geschrieben und nicht „Tantiemen“.

Wer sein Buch selbst herausbringt, kann sich selbst natürlich keinen Vorschuss zahlen, bevor er überhaupt etwas verdient hat. Im Gegenteil. Er muss das Buch erst schreiben, und dann für alle weiteren Schritte selbst aufkommen und in Vorleistung gehen. Ein Lektorat kostet gerne 1.500 Euro und mehr. Eine Korrektorat ist auch nicht billig. Ein professionelles Cover kostet ab 250 Euro aufwärts. Der Buchsatz muss gemacht werden, und eine Druckdatei erstellt werden. Die ISBN Nummer kostet ebenfalls Geld.

Das wäre das Minimum an Aufwand, mit dem z.B. ein professionelles Ebook erstellt werden könnte. Ein Schriftsteller, der Profis für diese Schritte engagiert, steht leicht mit 3.000 Euro im Minus da, bevor er überhaupt etwas veröffentlicht hat.

Soll eine Auflage gedruckt werden, müssen der Druck und der Transport bezahlt werden, die Bücher müssen gelagert werden, und jemand muss sich um den Vertrieb kümmern. Viele Selfpublisher nutzen Print-on-Demand Services wie KDP, BOD oder Epubli, wo die Bücher einzeln nach Bestellung gedruckt werden. Damit spart man sich das Geld und den Aufwand einer Auflage, aber der Druck ist entsprechend teurer, und man hat weniger Einnahmen pro gedrucktem Buch.

Die Margen sind um einiges höher als die 0,60 Euro aus dem Verlagsbeispiel. Man kann leicht ein paar Euro pro Buch verdienen. Allerdings muss man die Bücher auch erstmal verkaufen, und das klappt nur, wenn das Marketing stimmt – das man auch selbst machen muss.

Und bevor man wirklich am Buch verdient, müssen erstmal die vorab entstandenen Kosten wieder erwirtschaftet werden. Die Margen hängen sehr stark von dem gewählten Anbieter, der Art und dem Format des Buches ab.

Ein nicht allzu langer, seichter Liebesroman verkauft sich am besten als Ebook, und ist preislich oft um die 3 bis 4 Euro angesiedelt. Bei Amazon KDP wäre die Marge dabei bei etwa 1,95 bis 2,60 Euro pro Buch. Um Kosten von 3.000 Euro zu decken, und DANN noch 3.000 Euro zu verdienen (wie ich sie beim Verlagsvorschuss gehabt hätte), müsste ich also „nur“ 3.000 Bücher à 3,99 Euro verkaufen.

Vergleich an einem echten Beispiel

Kürzlich nannte eine Schriftstellerin in einem Schriftsteller-Forum während einer Diskussion einmal echte Zahlen. Die möchte ich euch nicht vorenthalten:

Es handelt sich um 2 inhaltlich vergleichbare Liebesromane. Beide wurden in der Vergangenheit bereits als Taschenbuch veröffentlicht. Die Verlagsverträge sind ausgelaufen, und die Rechte fielen an die Autorin zurück.

  • Buch A wurde von einem Verlag in seinem Digital Imprint neu veröffentlicht.
  • Buch B wurde von der Autorin im Selbstverlag bei KDP als Kindle-Ausgabe neu veröffentlicht.

Beide Bücher kosten 3,99 Euro, und es wurde eher wenig Werbeaufwand betrieben.

Das Ergebnis nach jeweils 12 Monaten in tatsächlich verdienten Beträgen:

  • Buch A (Verlagsimprint): 79,00 Euro
  • Buch B (KDP Select): 9.700,00 Euro

Nun muss man dazu sagen, dass ausgerechnet ein Liebesroman bei KDP Select generell sehr gut läuft. Wäre es ein Sachbuch über Steuerrecht gewesen, sähe das Ergebnis sicher ganz anders aus. Trotzdem fand ich die Zahlen beeindruckend.

Wie verdiene ich mehr mit meinen Büchern?

Da gibt es nur eine Antwort:

Schreiben, schreiben, schreiben.

Egal ob man über einen Verlag oder selbst veröffentlicht, mit jedem weiteren Buch erhöht sich die Sichtbarkeit und der Verdienst.

Leser, die das dritte Buch eines Autors entdecken und es mochten, sind eher geneigt, auch das erste und zweite Buch zu kaufen. Schafft man es, Fans zu bekommen, werden die auch das vierte und fünfte Buch kaufen.

Je mehr Bücher man auf dem Markt hat, desto mehr lässt sich auch damit verdienen.

So, ich gehe jetzt weiterschreiben.

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